Eindrücke von einer Begegnungsreise mit Delegierten des ÖRK
Es berichtet Elisabeth Naendorf, stellvertretende Geschäftsführerin der ACK Sachsen
Im Anschluss an die Vollversammlung in Karlsruhe hatten die ACKs (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen) in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen Delegierte und Ökumene-Interessierte nach Leipzig und Wittenberg eingeladen, um die Kirchen und die Region in Mitteldeutschland ein wenig kennenzulernen.
Wie berichtet man von einem Weltereignis? Bei dem man gar nicht dabei war? Vielleicht am besten durch und von persönlichen Begegnungen, als Teilnehmerin am Nachprogramm. Neben dem Austausch über die Vollversammlung ging es auch darum, die Minderheiten-Situation der Gläubigen in diesem Teil Deutschlands und die Geschichte der Region ansatzweise vorzustellen. So in Leipzig, auf den Spuren der friedlichen Revolution. Oder im Braunkohlegebiet um Borna und in Pödelwitz. Dort wurden uns eindrucksvoll die gewaltigen Eingriffe des Menschen durch Tagebau, Renaturisierung, Umsiedlung, Zerstörung und Erhalt von Dörfern vor Augen geführt. Und wir waren in Wittenberg, Stadt der Reformation, und Standort eines „Erfahrungsraums Kirche“. Das ist ein Projekt der EKM, Kirche heutzutage anders erfahrbar werden zu lassen und damit zu „übersetzen“ für junge und für Menschen, die bisher keinen Kontakt zu Kirchen(räumen) und christlichen Traditionen haben.
Am Sonntag waren wir in vier unterschiedlich konfessionellen, nicht ökumenischen, Gottesdiensten. Glaube, mit allem, was uns im Bekenntnis verbindet, lebt eben auch stark von der je eigenen und damit vertrauten Liturgie und Tradition, und das unabhängig von Sprache oder Weltregion. Genauso gilt: im Ausland geht es sich leichter zu Besuch in das Gebet einer anderen Konfession als zu Hause.
Das ist, so ist Ökumene, nur so wird sie lebendig und tragfähig: um die eigenen Traditionen wissen, sie schätzen, und sie den Geschwistern verständlich erklären lernen – und offen, neugierig und wertschätzend an den ungewohnten Traditionen der Geschwister teilnehmen, und diese mit-feiern.
Und fast die ganze Breite des Christentums war schon an unserer kleinen Gruppe abzulesen. Wir waren: ein junger Mann aus Australien von der Griechisch-Orthodoxen Kirche des Ökumenischen Patriarchates von Konstantinopel. Eine Maori von der Anglikanischen Kirche in Aotearoa-Neuseeland und Polynesien, die ihre Promotion über die Theologie der Befreiung aus Sicht der Maorifrauen schreibt. Ein mexikanischer Methodist, der in Spanien an einer Theologischen Hochschule lehrt, Delegierter der Evangelischen Kirche Spaniens. Eine junge Theologin und Doktorandin, die kurz vor ihrer Ordination steht und der Ev.-Luth. Kirche Tansanias angehört; außerdem eine Frau aus den USA, Delegierte der Ev.-Luth. Kirche in Amerika. Eine weitere Frau, ebenfalls aus den USA, kam von der National Baptist Covention, die außerdem engagiert ist in der Initiative Pan African Women of Faith, ein weltweites ökumenisches Netzwerk afrikanischer Frauen und Frauen afrikanischer Herkunft. Ein Mann aus Südafrika, Vertreter der Niederländisch-Reformierten Kirche, die nun zum ersten Mal in Karlsruhe wieder dabei war seit ihrem Ausschluss aus dem ÖRK wegen ihrer damaligen Unterstützung des Apartheidsystems. Eine Frau aus Prag von der Tschechoslowakisch-Hussitischen Kirche und ein Mann aus Nigeria vom Nigerianischen Baptisten-Bund. Dazu kamen aus Deutschland Lutheraner*innen, Katholikinnen und eine Herrnhuterin. Das war wirklich Welt-Kirche – beeindruckend!
In den Tischgesprächen ging es um regionale Herausforderungen der Ortskirchen: Könnten Gottesdienste auch auf Englisch statt auf Altkirchengriechisch gefeiert werden, um die Menschen zu erreichen mit der Botschaft des Evangeliums? Wie kann es sein, dass in Tansania täglich 1.000 Menschen den Gottesdienst feiern, und in Ostdeutschland und Tschechien sind nur 15–20 % der Bevölkerung überhaupt Mitglied einer Kirche? „Welches Christentum habt ihr uns da gebracht?“
Viel zu oft war die Christianisierung Teil brutaler Kolonialisierung und Gewalt; gleichzeitig sind die biblischen Geschichten vom Exodus Ansporn für die eigene Befreiung aus Unterdrückung und Erniedrigung, helfen, von Seiten der indigenen Völker Teilhabe und Mitsprache einzufordern. Wie kann man diesen Widerspruch aus historischer Erfahrung und Heilsbotschaft aushalten, innerhalb der eigenen Gemeinschaft, und im Verbund der Weltkirchen?
Das Motto der Vollversammlung benennt all diese Herausforderungen ganz gut, auf Englisch noch besser: Christ’s love moves the world to reconciliation and unity. Es ist die Liebe Gottes, die die Welt zu (mehr) Versöhnung und Einheit bewegt – und die (nur?) sichtbar wird, wenn in Geschwisterlichkeit gelebt, gestritten, gebetet und gefeiert wird – ökumenisch eben.